35 Grad im Sommer – ist das noch normal? Nein, ist es nicht. Es ist der Klimawandel. Im neuen Youtube Video und diesem Blogbeitrag erkläre ich es mit etwas Physik – was Temperaturen im Wesentlichen prägt, wie Variabilität entsteht, und warum Extreme so viel häufiger werden.
Aus aktuellem Anlass bin ich im neuen Video auf VideoWissen auf die starke Häufung von extrem warmen Temperaturen eingegangen und wie man sie einfach, aber physikalisch durch den Klimawandel erklären kann.
Temperatur wird durch Strahlung geprägt
Der Ausgangspunkt, um Temperaturen zu verstehen, ist die Oberflächenenergiebilanz. Sie bilanziert die Erwärmung der Oberfläche durch Absorption von Solarstrahlung sowie der Ausstrahlung der Atmosphäre (der Treibhauseffekt) mit den Kühlungstermen, dominiert von der Ausstrahlung der Oberfläche, Luftauftrieb und Verdunstung. Die letzten beiden Terme werden auch als fühlbarer und latente Wärmefluss bzw. zusammengefasst als turbulente Wärmeflüsse bezeichnet. Mit Mittelwerten der Absorptionsterme und einer Abschätzung der Wärmeflüsse über die maximale Leistung kann man dann Temperaturen aus der Ausstrahlung bestimmen und damit dann sehr gut erklären (siehe auch hier ganz allgemein, und hier für Deutschland).
Variabilität entsteht durch Wolken
In diesem Bild von Temperatur aus Sicht der Oberflächenenergiebilanz entsteht Variabilität hauptsächlich durch Wetterschankungen in den Strahlungsflüssen. Mehr Wolken, weniger solare Einstrahlung, kühlere Temperaturen. Wolkenfreier Himmel, mehr Einstrahlung, wärmere Temperaturen. Dies führt zu Variabilität um den Mittelwert, die diese Wetterschwankungen widerspiegelt.
Um dies zu veranschaulichen, habe ich die Daten der Wetterstation “Sternwarte” in Jena vom Deutschen Wetterdienst genommen – eine Station, dies schon seit Goethes Zeiten Wetter misst.

Abbildung 1: Die Wetterstation Sternwarte in Jena.
Als erstes habe ich die Daten von 1961 bis 1990 genommen, um die klimatologische Referenzperiode abzubilden (die Zeitperiode ist nur etwas wärmer als die vorindustrielle Zeit). Und da wir über extreme Temperaturen sprechen, habe ich die Tageshöchstwerte genommen, die in der Regel am späten Nachmittag eintreten, und auf die Sommermonate fokussiert (Juni – August). Die Häufigkeitsverteilung kann recht gut durch eine Gaussverteilung dargestellt werden (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung der Tageshöchsttemperaturen der Jahre 1961-1990 von der Wetterstation Jena Sternwarte. Daten vom DWD.
An dieser Verteilung kann man recht gut die Einflüsse von Wetter und Klima erkennen. Der klimatologische Mittelwert von 23.5°C ist durch die Mitte der Verteilung gegeben, Wetterschwankungen werden durch die Breite der Verteilung von 9.5 K charakterisiert. Und die Extreme sind durch die Randbereiche der Verteilung gegeben. So kann man zum Beispiel extrem heiße Tage als die beschreiben, die über einen Schwellenwert liegen und die oberen 5% der Verteilung ausmachen. Im Fall von Jena sind dies Tageshöchsttemperaturen über 31°C. Bei 5% sind dies im Klimamittel 4,6 Tage.
Verstärkter Treibhauseffekt verschiebt die Verteilung
Durch die erhöhten Treibhausgaskonzentrationen nimmt die atmosphärische Ausstrahlung zu, also einer der beiden Absorptionsterme. Auch die Solarstrahlung hat durch weniger Wolken über die letzten 30 Jahre zugenommen. Dies verschiebt systematisch diese Häufigkeitsverteilungen, um +1.6 K für die Jahre 1991-2020, und um +3.1 K für die Jahre 2019-2024. Und so kommen die Temperaturen, die wir als extrem definiert haben, überproportional häufiger vor.
So hat sich die Häufigkeit von extrem warmen Temperaturen im Sommer in Jena in den Jahren 1991-2020 nahezu verdoppelt (es sind nun 9.7% der Tage, also 9 Tage), in den letzten 5 Jahren waren es bereits 14.1% der Tage (also 13 Tage), also fast eine Verdreifachung der extrem warmen Tage. Der Einfluss von Wetterschwankungen ist dabei nahezu gleich geblieben – die Standardabweichungen in den drei Zeiträumen ist nahezu gleich. Gleichzeitig hat sich die Häufigkeit von extrem kalten Tagen entsprechend verringert.

Und wie steht’s im Jahr 2025? Nun, im Juni gab es bereits 6 Tage, die über 31°C lagen, im Juli gab es bereits 2 Tage (Stand: 5. Juli). Es sieht ganz so aus, als ob der heissere Standard der letzten 5 Jahre sich weiter nach oben verschiebt. Und genau das erwarten wir ja auch in den kommenden Jahren bei fortschreitender Klimaerwärmung – die Verteilung wird sich also kontinuierlich weiter Richtung heiss verschieben.
Hintergrundinfos
Das Video direkt eingebettet:
Und hier ein ähnliches, wo die mittleren Temperaturänderungen in Deutschland mithilfe der Energiebilanz nachgerechnet werden.
Diese Verschiebungen finden wir natürlich nicht nur in Jena. Hier eine Grafik, die auch Hamburg, München und den Fichtelberg mit einschliesst – für Tagesmitteltemperaturen im Winter und Sommer (entnommen aus dem Anhang dieser Veröffentlichung):

Oder als Karte von ganz Deutschland, für die mittlere Temperatur zwischen den Zeiträumen 1991-2020 im Vergleich zu 1961-1990.

