Neues Video: Wie man Muster der globalen Klimaerwärmung allein durch Strahlungstransport verstehen kann

Im neuen Video zum Kraftwerk Erde geht es um den atmosphärischen Treibhauseffekt – speziell, um die Rolle des atmosphärischen Fensters.  Über die Faktoren, die die Größe und Durchlässigkeit dieses Fensters beeinflussen, kann man recht einfach, aber physikalisch, direkt Muster der globalen Klimaerwärmung erklären. Im Blogbeitrag gibt es die Referenzen dazu.

Ich mag ja gerne Dinge einfach und physikalisch verstehen, über die wesentlichen Prozesse, die Phänomene hauptsächlich beschreiben.  Und so geht es mir auch beim globalen Klimawandel.  Klimamodelle zeigen ziemlich klare Muster – in trockenen Regionen und polwärts fällt der Klimawandel stärker aus als nahe des Äquators oder über dem Meer (siehe z.B. hier im IPCC Bericht).  Klimamodelle sind inzwischen so komplex geworden, dass sie zum Verstehen eigentlich ungeeignet sind (was aber nicht bedeutet, dass sie falsch oder nicht nützlich wären).  Und deshalb finde ich es um so spannender, dass man viele Muster des Klimawandels mit etwas Physik des Strahlungstransfers ziemlich gut verstehen kann.  Dies ist im neuen Video gezeigt, und hier etwas beschrieben, mit Referenzen zu weitergehender Literatur.

Das atmosphärische Fenster und der Treibhauseffekt

Der Ausgangspunkt im Video ist das atmosphärische Fenster. Es spielt im Klimawandel eine zentrale Rolle.  Es bezeichnet einen Wellenlängenbereich von etwa 8-15 Mikrometer, in dem die Erdoberfläche stark abstrahlt, aber in dem Wasserdampf in der Atmosphäre vergleichsweise schlecht absorbiert (siehe Abbildung).  So kommt ein guter Anteil der emittierten Strahlung in den Weltraum, ohne in der Atmosphäre absorbiert worden zu sein.  Dies passiert zumindest, wenn keine Wolken da sind, weil diese über praktisch alle Wellenlängen hinweg sehr gut absorbieren.  Und in genau diesem Bereich des atmosphärischen Fensters sitzt ein Teil der Absorptionsbanden von Kohlendioxid.  Deshalb ist es so ein wichtiges Treibhausgas: es verkleinert das atmosphärische Fenster.  Dadurch wird mehr von der Abstrahlung der Oberfläche in der Atmosphäre absorbiert, wovon ein Teil dann wieder Richtung Erdoberfläche zurückgestrahlt wird und damit die sogenannte atmosphärische Gegenstrahlung erhöht.  Dies führt dann zur zusätzlichen Erwärmung der Erdoberfläche.

Schematische Darstellung des atmosphärischen Fensters der Erdatmosphäre im Infraroten. Es beschreibt einen Wellenlängenberich, in dem die Erdoberfläche stark abstrahlt, Wasserdampf aber nicht so gut absorbiert. In diesem Bereich liegt eine der Absorptionsbanden von Kohlendioxid, weshalb es so ein wichtiges Treibhausgas ist.


Die Größe und Durchlässigkeit dieses Fensters hängt von ein paar Einflussgrößen ab.  Wenn die Atmosphäre kälter ist, enthält sie weniger Wasserdampf.  Dann ist das Fenster größer und CO2 spielt eine wichtigere Rolle – wie im Winter, in der Nacht, in hohen Breiten oder in den Bergen.  Ist es bewölkt, ist das Fenster vollkommen geschlossen, weil Wassertropfen wesentlich besser absorbieren als Wasserdampf (siehe wikipedia). 

Daraus können wir bereits schließen, dass wir mehr Erwärmung in kalten Regionen erwarten können als in warmen, und mehr in sonnigen Zeiten als wenn es bewölkt ist.  Diese Effekte kann man auch wunderbar in Beobachtungen sehen, wenn man gezielt danach schaut – wie es vor ein paar Jahren Muye in unserer Analyse zu Erwärmungstrends an chinesischen Wetterstationen getan hat (Veröffentlichung, Blogpost), die auch im Video erwähnt wird.

Quantitative Beschreibung des Fensters

Diese Effekte kann man sehr gut in der Beschreibung der atmosphärischen Gegenstrahlung von Brutsaert, bzw. der Erweiterung durch Crawford and Duchon wiederfinden.  Die Gegenstrahlung ist die Strahlung, die die Atmosphäre in Richtung Oberfläche emittiert.  Mithilfe dieser Beschreibung kann man sie aus Wetterstationsdaten schätzen. Diese Beschreibung hat kürzlich Yinglin mit modernen Datensätzen evaluiert (Veröffentlichung, Blogpost). 

Der Wasserdampfgehalt geht dabei direkt auf die Emissivität der Atmosphäre ein, aber dieser Beitrag zur Emissivität wird mit zunehmenden Bewölkungsgrad reduziert, weil Wolken so viel besser absorbieren und emittieren.  Die Beschreibung gibt also die Betrachtungen zum atmosphärischen Fensters wider – mehr Wasserdampf engt das Fenster ein, die Emissivität ist dann höher, während Wolken es komplett schließen und somit auch die Emissivität erhöhen.

Allerdings wird der Effekt von CO2 in dieser Parameterisierung nicht berücksichtigt.  Das ist ein Aspekt, an dem wir in meiner Arbeitsgruppe arbeiten – ein vorläufiges Ergebnis wird im Video gezeigt, an dem man schön sieht, dass der Effekt von CO2 dann größer ist, wenn weniger Wasserdampf in der Atmosphäre ist. Dann ist das atmosphärische Fenster größer, und die CO2 Absorptionsbande sichtbarer.  Das ist insbesondere der Fall, wenn es kalt ist.  Also wieder ein Ergebnis, was zum Bild des atmosphärischen Fensters passt – wenn es kalt ist, dann spielt CO2 eine wichtigere Rolle.

Trends der atmosphärischen Gegenstrahlung in Deutschland

Auch kann man mit dieser Beschreibung die Erwärmungstrends in Deutschlands mit der Zunahme der Gegenstrahlung in den letzten Jahrzehnten sehr schön nachvollziehen.  Dies habe ich mit dem HYRAS Datensatz des DWD getan, einem Datensatz, der auf Wetterstationsdaten beruht und bis in die 1950er Jahre zurückreicht.  Die Gegenstrahlung wird nicht an Wetterstationen beobachtet, aber aus den gemessenenen Werten kann man sie mithilfe der Parameterisierung von Brutsaert abschätzen.  Mehr dazu habe ich in der Analyse zu Dürren in Deutschland gezeigt (Veröffentlichung, Blogpost, Video), und bei der Berechnung der mittleren Temperatur und Erwärmungstrends in Deutschland (Blogpost, Video). 

Atmosphärische Gegenstrahlung, also die Emission der Atmosphäre in Richtung Oberfläche, geschätzt aus dem HYRAS Datensatz des Deutschen Wetterdiensts sowie die Zunahme über 30jährige Zeiträume.

Klimaforschung geht auch einfach physikalisch

Ich selbst nehme aus diesen Ergebnissen im Wesentlichen zwei Erkenntnisse mit:  

Zum Einen zeigt es, dass man wesentliche Muster des Klimawandels mit ganz einfachen Mitteln nachvollziehen kann.  Dafür braucht es jedoch etwas mehr physikalisches Prozessverständnis – ein Aspekt, der meiner Meinung nach in all der Komplexität, die mit Modellierung und Datenanalysen verbunden ist, häufig viel zu kurz kommt. Das heisst nicht, dass komplexe Analysen nicht nötig werden. Es ist ja gerade der Unterschied im Vergleich zum Einfachen, um zu sehen, wieviel man noch zusätzlich lernen und verbessern kann. Aber das Einfache setzt die Messlatte, wieviel man schon ohne viel Aufwand erreichen kann. Und für die Wissenschaftskommunikation sollte dieser Fokus auf die wesentlichen Faktoren hilfreich sein, um das Klimasystem besser zu erklären und zu begreifen.

Zum Anderen zeigen die Ergebnisse, dass sich der globale Klimawandel hauptsächlich um Strahlungseffekte dreht.  Das mag vielleicht trivial erscheinen – schliesslich wird‘s ja ganz klar wärmer, wenn die Sonne scheint.  Die Realität zeigt mir aber, dass es bei Weitem nicht so trivial ist.  Wenn ich mit Fachkollegen spreche, wird häufig die Bedeutung von Luftbewegung überschätzt, also die Rolle von Strahlung unterschätzt.  Bei Diskussionen mit interessierten Mitmenschen erlebe ich häufig, dass Temperatur zu sehr mit Wärme in Beziehung gesetzt wird, und nicht als das Resultat, welches aus der Bilanzierung von Strahlungsflüssen entsteht.  Der Fokus auf die physikalischen Grundlagen sollte hier hilfreich sein, um zu klären, was die wesentlichen Konzepte im Klimasystem sind.

Gegenwärtig arbeiten wir in meiner Gruppe daran, diesen Effekt besser in unseren thermodynamischen Ansatz einzubringen, um damit physikalische Abschätzungen zum globalen Klimawandel zu machen, die einfach, aber physikalisch fundiert und nachvollziehbar sind.

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Alle Folgen des Kraftwerks Erde sind in dieser Youtube Playlist zusammengefasst.

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