Wieviel erneuerbare Energie gibt es eigentlich? Reicht sie für die Energiewende in Deutschland? Die Antworten liefern einfache, physikalisch-basierte Abschätzungen, bei der das Erdsystem im Mittelpunkt steht sowie die Umwandlungen von der Energie im Sonnenlicht in andere Formen. Und dabei steht etwas Physik, genauer gesagt, die Thermodynamik im Mittelpunkt. Das Ergebnis ist nicht ganz so, wie man es vielleicht erwarten würde. Nämlich, dass es zwar jede Menge erneuerbare Energie gibt, aber auch, dass die Nutzung der Solarenergie mit großem Abstand auf Platz 1 liegt, und nicht die Windenergie. Selbst im nicht ganz so sonnigen, aber oft windigen Deutschland.

Wie, und wieviel, Energie erzeugt nun die Erde? Der Ausgangspunkt dazu bildet die Thermodynamik. Thermodynamik hört sich oft erstmal abschreckend an – Lehrbücher sind ja gut gefüllt mit komplexer Mathematik. Aber es wird gar nicht viel davon gebraucht, eigentlich nur der erste und zweite Hauptsatz, der Regeln für Energieumwandlungen setzt. Diese Regeln sagen aus, dass bei jeder Umwandlung die Gesamtenergie erhalten bleiben muss, und dass Energie sich zunehmend verteilt, was durch den Begriff der Entropie beschrieben wird. Kombiniert führen diese beide Regeln zu einer harten Schranke, wieviel Energie umgewandelt werden kann, wohlbekannt als der Carnot’sche Wirkungsgrad. Das ist wie in einem Kraftwerk. Dort setzt Verbrennung Wärme frei, ein Teil erzeugt Abwärme, ein anderer wird in nutzbare Energie in Form von Strom umgewandelt. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik sagt hierbei aus, dass die Wärmeerzeugung, die Abwärme und die erzeugte elektrische Energie sich bilanzieren. Der zweite Hauptsatz sagt aus, dass insgesamt die Entropie bei der Umwandlung nicht abnehmen kann. Und da die erzeugte elektrische Energie sogenannte freie Energie ist, also Arbeit verrichten kann und keine Entropie hat, muss die Abwärme dafür sorgen, dass der zweite Hauptsatz noch passt. Zusammen setzt das dann die maximale Effizienz, mit der ein Kraftwerk arbeiten kann. Die liegt typischerweise bei etwa 60%, auch wenn typische Kohlekraftwerke eher bei 35 – 40% arbeiten.
Dieser Ansatz trifft auch auf die Erde zu, wir betrachten also das “Kraftwerk Erde“. Hier wird Wärme durch die Absorption von Sonnenlicht dem System zugefügt, welches in Auftrieb, Luftbewegung, und damit verbundene Energieformen umgewandelt wird. Aber auch Wechselwirkungen, mit denen Prozesse im Erdsystem sich gegenseitig beeinflussen, spielen eine wichtige Rolle, da sie die Stärke von Energieumwandlungen beeinflussen. Diese kann man mit einfachen Rechnungen erfassen und gelangt so zu Abschätzungen, wieviel erneuerbare Energie das Erdsystem erzeugt. Und kann dann daraus ableiten, was dies für die Energiewende bedeutet. Und ja, die Abschätzungen sind einfach gehalten – ich halte das für ganz wichtig, da es Transparenz und Verständnis schafft. Man kann das Ganze auch wesentlich komplizierter machen, und denkt, man würde es viel besser machen. Aber letztendlich limitiert die Thermodynamik und die Energiebilanzen des Erdsystems, und diese starke Limitierung kann man eben auch einfach und transparent beschreiben.
Neugierig geworden? Mehr dazu gibt es in dem Vortrag “Erneuerbare Energien – einfach nachgerechnet“ am Donnerstag, 14. September 2021, um 14:15 in Hörsaal der Uni Jena am Ernst-Abbe Platz, live (auch im stream, und anschliessend auf dem YouTube Kanal der Uni Jena), ganz am Ende des Programms.
Hier noch die Links zu den im Vortrag verwendeten Quellen und Zitaten:
- Ausgangspunkt für den Vortrag ist ein Aufsatz “Sonne statt Flaute: Erneuerbare Energiequellen und ihre Grenzen in Deutschland“, veröffentlicht in der Physikzeitschrift “Physik in unserer Zeit“, der das gleiche Thema behandelt (offen zugänglich).
- Daten für den gegenwärtigen Energieverbrauch in Deutschland (wie im gezeigten Energieflussdiagramm im Vortrag) gibt es bei der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, mit vielen hilfreichen Daten.
- Ein Überblick, wie das Kraftwerk Erde erneuerbare Energie erzeugt, kann man im Aufsatz “Was leistet die Erde? Thermodynamik des Erdsystems” finden (auch in “Physik in unserer Zeit” veröffentlicht) und im Aufsatz “Was leistet die Erde und was trägt die Menschheit dazu bei?“, veröffentlicht bei der Leibniz Sozietät und offen zugänglich.
- Einen Übersichtsartikel zur Thermodynamik, der natürlichen Erzeugung von Windenergie in der Atmosphäre, und Grenzen ihrer Nutzung gibt es in der “Meteorologischen Zeitschrift” in Englisch (“Physical limits of wind energy within the atmosphere and its use as renewable energy: From the theoretical basis to practical implications“, öffentlich zugänglich). Die Satellitendaten von Strahlungsflüssen sind auf der Webseite des NASA-CERES Projekts verfügbar (auf Englisch).
- Die Effizienz von Photosynthese wurde im Aufsatz “Was begrenzt das Leben? Thermodynamik und Photosynthese im Erdsystem“ behandelt (auch in “Physik in unserer Zeit” veröffentlicht). Die geringe Effizienz wird darin durch den begrenzten Gasaustausch erklärt, also dass Ökosysteme viel Wasser verlieren, um an ihr CO2 zu kommen. Die Daten für Photosynthese von terrestrischen und marinen Ökosystemen sind hier und hier zu finden.
- Die globale Karte von der Dissipation von kinetischer Energie in der Atmosphäre wurde mit der ERA-5 Reanalyse erstellt. Die Windfelder für Deutschland stammen von der COSMO-REA6 Reanalyse der Uni Bonn/DWD.
- Wieviel Windenergie man in der Nordsee erzeugen kann, und wie wichtig dabei der Entzug von kinetischer Energie aus der Atmosphäre ist, ist in der Studie “Making the most of offshore wind” von Agora Energiewende beschrieben (frei verfügbar, inkl. Zusatzmaterial, in Englisch).
- Ein Beispiel für die Energiewende zu Klimaneutralität kann in der Studie “Klimaneutrales Deutschland” von Agora Energiewende gefunden werden.
Tiefergehende Informationen und wie man dies alles berechnen kann gibt es auch in der Vorlesung “Erneuerbare Energien im Erdsystem”, ab dem Wintersemester WS2021/22 wieder im Programm an der Uni Jena (Modul CGF-Ex-01 oder MUGM001, Veranstaltungsnummer 166306).
Nachtrag: Der Vortrag ist inzwischen auf youtube zu sehen.