Neu auf Youtube: Warum ist Entropie für das Erdsystem so wichtig? Weil es die Leistung begrenzt und damit die Dynamik des Erdsystems.

Entropie und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik setzt die Grundlage dafür, wie das Erdsystem aus Sonnenlicht Arbeit erzeugen kann. Die Grundlagen dafür werden in der ersten Folge einer Serie von Videos beschrieben, die das „Kraftwerk Erde“ näher behandelt und die in den nächsten Monaten auf dem Youtube Kanal Urknall, Weltall, und das Leben erscheint.

Entropie setzt die Richtung von Erdsystemprozessen und begrenzt, wieviel Arbeit maximal aus Sonnenenergie erzeugt werden kann.

Entropie und der damit verbundene zweite Hauptsatz der Thermodynamik hat oft ein etwas mystisches Flair. Wenn man ins Detail geht, wird es sehr schnell sehr mathematisch. Das muss nicht sein – letztendlich ist Entropie etwas, dass man in vielen Prozessen des täglichen Lebens wiederfinden kann. Der zweite Hauptsatz gibt eine klare Richtung vor – so wie ein heißer Kaffee sich mit der Zeit abkühlt. Damit bietet er so etwas wie einen Kompass für die Navigation des Erdsystems. Er setzt wohlbekannte Grenzen, die die Leistung begrenzen, so wie in einem Kraftwerk. Für unser Verständnis des Erdsystems ist beides höchstrelevant.

Darum geht es in diesem ersten Video. Es bietet eine relativ einfache Einführung zur Entropie, und wie sich der Entropiebegriff im Laufe des 19. Jahrhunderts verändert hat. Normalerweise verbindet man Entropie mit der klassischen Thermodynamik und mit den Wärmekraftmaschinen, die im 19. Jahrhundert die industrielle Revolution befeuerten. Dabei wurde der Begriff durch Ludwig Boltzmann auf eine statistische Basis gesetzt, die die Grundlage für Max Planck‘s Herleitung der Strahlungsgesetze am Anfang des 20. Jahrhunderts gesetzt hat. So wurde Entropie etwas Grundlegendes, was die Verteilung von Energiequanten in der Quantenphysik mit den physikalischen Größen der klassischen Physik verbindet. Es geht also bei der Entropie darum, wie man Quanten von Energie über wackelnde Moleküle verteilen kann (was zum klassischen Entropiebegriff verbunden mit Wärme führt), aber eben auch um die Verteilung von Energiequanten auf Elektronenzustände und Photonen. Dies führt dann zu zwei weiteren Entropiebegriffen: der molaren Entropie und der Strahlungsentropie. Entropie hat sich also über den Wärmebegriff hinaus entwickelt, und damit auch der zweite Hauptsatz der Thermodynamik.

Angewandt auf das Erdsystem spielt gerade die Strahlungsentropie eine entscheidende Rolle, um zu verstehen, wie und wieviel das Kraftwerk Erde leistet, also Arbeit verrichtet. Sonnenlicht wird bei der sehr hohen Temperatur der Sonne abgestrahlt. Wenn es die Erde erreicht, ist es Energie mit sehr geringer Entropie, kann also im Prinzip genutzt werden, um damit sehr viel zu leisten. Wenn es an der Erdoberfläche absorbiert und in Wärme umgewandelt wird, dann ist diese geringe Entropie verloren. Temperaturunterschiede können trotzdem noch genutzt werden, wie in einem Kraftwerk, welches aus dem Temperaturunterschied zwischen Verbrennung und Abwärme nutzbare Energie in Form von elektrischen Strom erzeugt. Im Klimasystem wird damit Arbeit geleistet und Bewegung erzeugt – die Kraftwerke halten also das Klimasystem am Laufen.

Die geringe Entropie des Sonnenlichts lässt sich viel besser nutzen, wenn die Thermalisierung, also die Umwandlung von Solarstrahlung in Wärme bei niedriger Temperatur, verhindert wird. Dies bewerkstelligen Photosynthese und die Photovoltaik, indem sie angeregte Elektronen abführen und somit Arbeit in Form von Ladungstrennung bewerkstelligen. Wir werden in weiteren Folgen sehen, dass die Photosynthese so die Energiequelle für das Leben auf der Erde darstellt, und dass diese Betrachtungsweise hilfreich ist, die Potenziale von erneuerbaren Energien einzuordnen.

Entropie ist also ein zentrales Konzept, um zu verstehen, was die Erde leistet. Entropie agiert dabei als Kompass, der uns hilft, der Energie zu folgen, die vom Erdsystem umgewandelt wird. Und sie setzt relevante Leistungsgrenzen, die die Dynamik des Systems begrenzen. Über die nächsten Folgen bauen wir uns damit eine Karte auf, um damit das Erdsystem zu navigieren und zu sehen, wie thermodynamische Grenzen die Bedingungen der Erde prägen, aber auch ganz praktische Konsequenzen hat, wie zum Beispiel den globalen Klimawandel oder die Energiewende.

Folien

Youtube Video

Literatur

Kleidon (2012) Was leistet die Erde? Thermodynamik des Erdsystems. Physik in unserer Zeit, 43, 136-144.

Kleidon (2016) Thermodynamic Foundations of the Earth System. Cambridge University Press.

Kleidon (2023) Working at the limit: A review of thermodynamics and optimality in the Earth system. Earth System Dynamics, 14, 861-896.

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